Münchner Kommunikationstraining
Letztens in der U-Bahn. Lockere Fülle im Wagen. Eine paar Fahrgäste stehen im Türbereich, alle Plätze sind besetzt aber es herrscht keine Überfüllung. Am Max-Weber-Platz steigt ein Mann mittleren Alters und erschöpften Gesichts ein. „ Diese scheiß volle U-Bahn“, schimpft er in gepflegt münchnerischem Timbre hinter mir, an die geschlossenen Türen gelehnt. „Immer der gleiche Scheiß. Kommst aus der Arbeit und die scheiß U-Bahn ist immer scheiße voll.“ brodelt er laut vor sich hin. „Und sind dann wahrscheinlich eh höchstens fünf echte Münchner die da sitzen.“ Wir stehenden Mitreisenden suchen mit den Augen den Deppen der offensichtlich schlechte Laune hat. Die Sitzenden heben vereinzelt ihre Blicke von ihren Smartphones. „Des geht mir sowas von auf die Nerven. Des is einfach so ein Scheiß. In der Früh wirst zerquetscht und nach der Arbeit hast a koan Platz.“ Er wird immer lauter. Ein paar der Sitzenden schauen hilflos umher. „Soll ich dem meinen Platz einfach geben?“ fragt ein Mädchen neben seiner Mutter. „Quatsch, bleib sitzen.“ zischt die zurück. „Das kotzt mich einfach an. Und eh alles Fremde. Alle wolln’s nach München. Is doch so!? Aber eben nirgend Platz!“, ruft er fast schon. Die Stimmung droht zu kippen, als ich eine ebenso angenehm bayerisch schnurrende Stimme höre. „Hey Mann, was geht ab?“. „Pffff.....“, erwiedert der Grantler, „ja, mei, eben nicht viel. Weißt, da kommst aus der Arbeit, bist eh schon genervt und dann is diese scheiß U-Bahn immer voll. Da kriegst nie 'n Sitzplatz.“ Ich höre zustimmendes Brummen „Ja, stimmt schon. Das würd’ mich auch nerven. Du fährst jeden Tag?“ „Ja, eben drum. Und es ist immer so. Und alles keine Münchner, da kannst einen drauf lassen. Nehmen uns echten Münchnern allen Raum. Is doch so!?“ „Naja, manchmal schon,“ erwidert der andere sanft, „aber wenn alle mit dem Auto reinfahr’n würden wär a nix.“ Pause. „Ja, hast recht.“ Es klingt erschöpft. „Was hast’n da für a schön’s Radl?“ fragt der Verzagte schließlich. Die anderen Fahrgäste haben sich inzwischen wieder beruhigt ihren Smarties zugewandt. „Danke. Hab ich grad aus der Werkstatt geholt. Brauchte neue Reifen und ein paar Kleinigkeiten mussten repariert werden. Dann bin ich wieder mobil. Mit dem Rad bist halt einfach am mobilsten.“ Aus dem Augenwinkel sehe ich ein schönes helblaumettalic Renn-Rad ohne Sattel. „Jetzt brauchst halt nur noch einen Sattel.“ Der Radler lacht, „Ja, den hab ich zu Hause. Wird in der Werkstatt eh nur schmutzig.“ Zustimmung hinter mir. Und so ratscht man locker weiter bis zum Hauptbahnhof. Die Bahn bremst ab. Der Grantler grüßt zum Abschied. „Geht’s denn jetzt etwas besser?“ fragt der Radler. „Ja, tatsächlich! Also, mir geht es jetzt auf jeden Fall viel besser als eben. Tut halt einfach immer gut mal ein bissl zu reden. Dank dir! Servus!!“ „Servus!“ Der Blick zum Grantler-Flüsterer, der gerade seine Ohrstöpsel wieder positioniert, wird frei und ich schau in ein milde lächelndes Gesicht schwarzer Hautfarbe.
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Neben mir in der U-Bahn ein junger Mann, vielleicht 15, 16 Jahre. Er sitzt am Fenster, angelehnt, so als ob er schlafen würde, den Kopf nach unten gebeugt, seine rechte Hand als Polster am Fenster, denke ich. So sitzen wir nebeneinander. Vielleicht zwei Stationen. Plötzlich regt sich mein Nachbar, streicht sich mit der linken Hand über sein Gesicht und durch seine wuscheligen Haare, so, als ob er vor einer schwierigen Aufgabe sitzt, atmet tief ein und spricht dann, ganz ruhig, in sein Handy am rechten Ohr, wie ich erst jetzt kapiere, "Mama, jetzt fall doch nicht wieder in dein altes Muster. Mach Dir doch einfach erstmal einen schönen Abend. Vielleicht ist der Typ ja ein wirklich netter Mann." Dabei steht er auf, wir haben die nächste Haltestelle erreicht. Im Aussteigen höre ich ihn noch sagen, "Doch, Mama, das ist wichtig, jetzt. Du gehst da hin...". Dann taucht er in der Menge unter.
Ich tauche auf zum nächsten Bahnsteig, U-Bahn Richtung Universität, finde einen Platz, neben einem etwas älteren jungen Mann, Student, wahrscheinlich. Auch er telefoniert bereits, als ich mich neben ihn setzte, hört aber nickend und mit zustimmendem Brummen dabei zu. Dann fährt auch er sich mit der freien Hand durch seine dicken Locken und sagt bestimmt, "Also, das hört sich für mich jetzt alles so an, dass Du jetzt mal Dein Kommunikationsmuster ändern musst...Ja, doch, denn der Typ scheint ja ein Arschloch zu sein....Nein, nein, dem musst DU jetzt mal klar machen, wer das sagen hat ... naja, Du natürlich!“ ... Leider muss ich schon wieder aussteigen. Naja, was soll ich dazu sagen?! Vernünftige, junge Männer, die Beiden. Beeindruckt bin ich aber von dem Sohn und denke an seine professionellen Worte und Gedanken ... und an seine Mutter. Letztens in der U Bahn, offensichtlich gerade Schulschluss. Der Zug voll mit aufgeregt plappernden, lachenden, Pläne für das Wochenende schmiedenden Teenagern. Einen Stehplatz suchend dränge ich mich in die Masse neben vier Schülerinnen. „Vergiss es,“ sagt eine zu den anderen dreien, „vergiss es! Meine Mutter hasst den. Das erlaubt die nie!“ Davon lässt sie sich auch nicht von ihren Begleiterinnen abbringen und betont nochmals, „Nein. Meine Mutter hasst den. Das macht die nie.“ Die vier diskutieren heftig weiter aber die nachrückenden Massen der nächsten Haltestelle drücken mich durch den Zwischenbereich neben zwei junge Mädchen. Sie sitzen eng zusammen, Schulter an Schulter, die eine zeigt Ihrer Freundin irgendwas in ihrem Smartphone. Ich lande, als die eine gerade sagt „Naja, deine Mutter hasst mich und trotzdem komme ich immer zu Dir.“ Die andere, die nicht in meine Richtung spricht, erwidert etwas, worauf beide lachen. Leider kann ich auch hier die näheren Umstände nicht erfahren, denn inzwischen halten wir am Ostbahnhof und wieder drücken sich neue Fahrgäste in den Wagon. Diesmal stehe ich neben drei Schülern und einer Schülerin. Auch sie unterhalten sich launig und gerade sagt das Mädchen, „Ach was, meine Mutter liebt dich. Das klappt schon.“ Ich freue mich, dass es zum Schluss die Liebe ist, die mich beim Aussteigen begleitet.
Zwei Jungs kommen mir entgegen, „Meine Mutter hasst das, die bringt mich um.“ Die Türen schließen, aber ich höre die beiden noch lachen. Auch ich muss grinsen. Hass, Liebe und die Mütter... drei ewige Urgewalten. |
AuthorMein Name ist Katja Stermsek Archives
March 2020
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